Warum Haie die wohl verkanntesten Meeresbewohner sind

Der Start unserer neuen Sonderkollektion Shark ist der perfekte Anlass, um in die Welt des vielfach missverstandenen Meeresräubers einzutauchen

Ken Kiefer 2/Image Source/Getty Images

Zwei Noten veränderten die Kinowelt:E und F bzw. F und Fis – das Kult gewordene Leitthema eines Jägers auf der Pirsch. Selbst heute, 45 Jahre nach der Veröffentlichung des Films „Der weiße Hai“ (Jaws), erzeugt die Titelmelodie des Komponisten John Williams noch Spannung und Nervenkitzel. Williams selbst beschrieb die Melodie als:„an den Nerven zehrend ... instinktgetrieben, erbarmungslos, unaufhaltsam“. Nicht nur das Kino wurde maßgeblich davon beeinflusst, sondern auch unsere Wahrnehmung einer gesamten Spezies.

In „Der weiße Hai“ werden Haie als durch und durch böse dargestellt, als eine Bedrohung, die im Meer lauert. Dieses Image wird von den Hollywood-Filmstudios gerne aufgegriffen. Seit „Der weiße Hai“ wurden 87 Filme über Haie gedreht, darunter auch die sechsteilige Sharknado-Reihe, die von einem Pärchen handelt, das immer wieder auf Haie trifft, die durch einen Tornado aus dem Meer gesogen werden und in ihrer Nähe landen. Die Handlung mag zwar absurd klingen, die Botschaft dahinter ist jedoch klar:Man ist niemals vor Haien sicher.

Diese Herabwürdigung auf Zelluloid ging so weit, dass einige Meeresforscher nach der Veröffentlichung des Thrillers „The Shallows – Gefahr aus der Tiefe“ im Jahr 2016 einen offenen Brief an Columbia Pictures schrieben, um aufzuzeigen, dass der Weiße Hai als ruchloser Killer eine grausame und gefährliche Fehldarstellung ist. Dennoch bleibt der Hai in den Köpfen vieler ein großes, aggressives und unumstößlich böses Raubtier. Aber entspricht das tatsächlich der Wahrheit? Sind Haie wirklich die Monster, als die sie dargestellt werden? Oder tun wir ihnen unrecht? Im Rahmen der Veröffentlichung unserer 14-teiligen Sonderkollektion Shark, die von Funktionsjacken über Fleece-Oberteile mit halblangem Reißverschluss bis hin zu Badeslips reicht, tauchen wir in die Welt des Hais ein.

Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass neben dem Weißen Hai noch zahlreiche andere Arten existieren. Aktuell sind 500 verschiedene Haiarten bekannt. Es gibt leuchtende (biolumineszente) Haie, Mutterhaie (die bis zu zwei Jahre trächtig sind), Hundshaie, Katzenhaie, Koboldhaie und sogar Teppich- und Ammenhaie. Erwähnenswert ist auch die jüngste Entdeckung:der „Laufhai“ (Epaulettenhai). Dieser kann auf seinen Flossen von Gezeitentümpel zu Gezeitentümpel laufen und dabei bis zu eine Stunde ohne Sauerstoff auskommen. Von diesen 500 bekannten Arten sind laut Meeresbiologen nur sieben für den Menschen gefährlich – und das auch nur unter extremen Bedingungen. Dr. Lauren Smith von Saltwater Life, einer Meeresschutz- und Forschungsorganisation im Vereinigten Königreich, erklärt:„Haie sind Wildtiere und sollten als solche respektiert werden. Ich hatte das Glück, viele verschiedene Haiarten in freier Wildbahn zu erleben und keine einzige davon zeigte aggressives Verhalten.“

In Wahrheit jage der Mensch häufiger den Hai als umgekehrt, fügt Dr. Smith hinzu. Blauhaie im Atlantik sind besonders bedroht und werden massenweise getötet. „Die unregulierte Überfischung und Tötung von Haien wegen Ihres Fleisches und Ihrer Flossen stellt die größte Bedrohung dar. Auch die Zerstörung wichtiger Lebensräume wie Mangrovenwälder, die zahlreichen Haiarten als Kinderstube dienen, gefährdet die Existenz der Haie“, meint Dr. Smith.

Georgette Douwma/DigitaVision/Getty Images

Knapp 25 Prozent aller Haiarten sind aktuell vom Aussterben bedroht. Dabei ist nicht nur die Überfischung ein Faktor, sondern auch die Erwärmung der Weltmeere (vor allem für Grönlandhaie) und deren Verschmutzung mit Plastik und anderen Schadstoffen.

Wenn der Hai verschwinden würde, hätte dies katastrophale Auswirkungen auf das Ökosystem. Es würde zu einem Dominoeffekt kommen. „Einige [Hai]arten sind Filtrierer, die kleinstes Plankton fressen, andere wiederum jagen Fische, Kopffüßer, Krustentiere und Aas. Manche Populationen sind sehr ortstreu, wohingegen andere große Strecken zurücklegen. Das Zusammenspiel einzelner Spezies innerhalb eines Ökosystems ist sehr komplex. Wenn auch nur eine einzige durch Überfischung oder Umweltverschmutzung verschwindet, kann das weitreichende Folgen haben“, erklärt Dr. Smith.

Das Problem beim Schutz des Hais ist sein schlechter Ruf. Es ist schwierig, die Öffentlichkeit für den Schutz einer Tierart zu begeistern, die als Gefahr für jeden angesehen wird, der auch nur einen Zeh ins Meer taucht – von der Beschaffung von Geldmitteln ganz zu schweigen.

Durch das wachsende Interesse an den Weltmeeren und an den Auswirkungen der menschlichen Einflussnahme kann auch mehr und mehr Wissen über Haie gesammelt werden. Ob sich dadurch etwas an diesem Image ändert, bleibt allerdings abzuwarten.

Trotzdem hegt Dr. Smith Hoffnung für die Könige der Weltmeere. „Natürlich hat die effekthascherische Darstellung von Haien in Filmen und anderen Medien sehr zu ihrem schlechten Ruf beigetragen. Aber ich habe auch viele Menschen kennengelernt, die erst durch einen Film auf Haie aufmerksam wurden, sich anschließend intensiver mit dem Thema beschäftigt haben und mittlerweile als Haischützer oder Haiforscher tätig sind und andere über diese Tiere aufklären.“

Wenn Sie sich also das nächste Mal „Der weiße Hai“ ansehen und den nervenaufreibenden Soundtrack von John Williams hören, sollten Sie sich fragen, ob nicht vielleicht doch wir Menschen die tatsächlichen Jäger sind.shark